Nicht aufgeben!

© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Anja Brunner

Postdoktorandin und Studienleiterin am Institut für Musikwissenschaft

Dr. Anja Brunner ist Postdoc-Assistentin am Institut für Musikwissenschaft (Fachbereich Kulturelle Anthropologie der Musik) und am Center for Global Studies (75%). Sie hat ihr Studium und Doktorat an der Universität Wien gemacht, seit Dezember 2015 ist sie in Bern. Nebst ihrer eigenen Forschung ist sie in der Lehre tätig und ist Studienleiterin des MA-Studiengangs World Arts and Music.

 

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?

Die Erforschung von Musik in allen Spielarten fasziniert mich schon lange. Dieser Begeisterung kann ich mit viel Freiraum nachkommen und sie auch an Studierende weitergeben. Ich schätze an der Wissenschaft, dass ich eigenständig zu spannenden Themen arbeiten kann. Darüber hinaus erlebe ich die Uni Bern als guten Arbeitsort – angenehm familiär, freundlich und gut organisiert.

Inwiefern ist Ihre Laufbahn vom „klassischen“ akademischen Weg abgewichen?

Mein akademischer Weg wurde bislang von einem Jahr im Mutterschutz unterbrochen, und als Mutter diesen Weg weiterzugehen, ist durchwegs herausfordernd und speziell. Was meine Forschung betrifft, ist vielleicht untypisch, dass ich während meiner Promotionszeit in einem Forschungsprojekt mitgearbeitet habe, das inhaltlich nicht an meine Dissertation anknüpfte. Das hat den Abschluss meiner Dissertation verzögert. Dafür hatte ich bereits beim Abschluss der Doktoratszeit eine gute Publikationsliste und zwei inhaltliche Schwerpunkte. Auch hat die Dissertation inhaltlich von der längeren Arbeit daran durchaus profitiert.

Mit welchen Hürden waren und sind Sie konfrontiert? Wie haben Sie diese überwunden?   

Während der Promotionszeit war ich durch meine Themenwahl oft auf mich allein gestellt und konnte nur bedingt auf inhaltliche Unterstützung zählen. Dies hat den Prozess vermutlich etwas verzögert. Geholfen hat mir hier vor allem der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Ein Mentoringprogramm, an dem ich teilnahm, hat den Austausch von Erfahrungen über mehrere Disziplinen hinweg ermöglicht. Ich habe dadurch einen guten Einblick bekommen, was Wissenschaft zusätzlich zu Forschung und Textproduktion ausmacht. Schwangerschaft und Mutterschaft habe ich nicht als ein allzu grosses Hindernis empfunden, sondern als etwas sehr Schönes. Doch eine Familie zu haben schränkt zeitlich und in der Mobilität natürlich ein. Ein Ausstieg aus der Wissenschaft nach dem Doktorat lag daher für mich durchaus im Bereich des Möglichen; ich habe vor diesem Hintergrund auch eine Ausbildung zur wissenschaftlichen Schreibtrainerin absolviert. Die Stelle an der Uni Bern hat mir aber wieder eine längerfristige Perspektive in der Wissenschaft geboten. Annehmen konnte ich die Stelle allerdings nur, weil mein Partner beruflich nicht auf einen bestimmten Arbeitsort fixiert war. Wäre das nicht der Fall gewesen, so wäre der Umzug in ein anderes Land viel schwerer gewesen. Wichtig ist noch, dass ich mit Kind nun keine 60-Stunden-Woche machen kann. Das könnte in Zukunft vielleicht schwierig sein, weil ich als Wissenschaftlerin in einem kompetitiven Verhältnis mit Leuten auf der gleichen Karrierestufe stehe, die potenziell viel mehr Zeit für Forschung zur Verfügung haben. 

Welches sind die Vorteile Ihres besonderen Modells?

Erstens konnte ich durch die längere Zeit der Promotion inhaltlich tief in mein Fach eintauchen und auch spannende Aspekte etwas abseits meines Themas betrachten. Dies kommt mir nun vor allem in der Lehre, aber auch in der Erarbeitung der Habilitation und neuer Forschungsprojekte zugute. Zweitens habe ich an der Universität als arbeitende Mutter viel organisatorischen Freiraum und flexible Arbeitszeiten. Generell bin ich in der Wissenschaft selber für meinen inhaltlichen Fortschritt und meine Publikationen verantwortlich. Es ist gewissermassen eine Mischung zwischen Anstellung und Selbständigkeit, und ich schätze diesen Freiraum mit gleichzeitiger sozialer Absicherung sehr.

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Ich wünsche mir mehr Wertschätzung und faire Behandlung von Menschen auf den Karrierestufen Doktorat und Post-Doc. Es sollte keine 50%-Stellen für Assistenzen geben, auf denen die betreffenden Personen dann in Wirklichkeit über 100% arbeiten. Assistent/innen müssen, wenn sie in der Forschung weiterkommen wollen und einen guten Beitrag zur aktuellen Forschung leisten wollen, immer 100-120% arbeiten. Da wünsche ich mir zumindest durchgehend 75%-, wenn nicht 100%-Stellen. Als arbeitende Mutter schätze ich den Familienfonds an der Philosophisch-historischen Fakultät sehr, der finanziell bei Betreuungsmassnahmen unterstützt. Ein weiterer Ausbau des Angebots würde mich freuen.

Welche Tipps geben Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Ihrem Fach in Bezug auf eine wissenschaftliche Karriere?

Nicht aufgeben! Wenn die Leidenschaft für das Fach da ist, findet sich auch ein Weg. Generell ist die Vernetzung mit anderen Doktorierenden – oder später anderen Peers – sehr wichtig und hilfreich. Und man sollte sich bereits früh mit der akademisch-universitären Welt beschäftigen, um zu merken, ob das eine Welt ist, in der man sich bewegen möchte. Dazu gehört, viele Fragen zu stellen, an Konferenzen teilzunehmen, Publikationen zu realisieren und sich in der universitären Selbstverwaltung zu engagieren. Die Mitarbeit in einer Ernennungskommission beispielsweise kann viele Vorstellungen relativieren, weil man merkt, dass auch immer etwas Glück im Spiel ist. Bei Bewerbungen kann es helfen, wenn man bereits Erfahrung in der universitären Selbstverwaltung mitbringt und weiss, wie eine Universität funktioniert.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von A. Brunner, Universität Bern
© Christa Heinzer