Das Modell für bessere Vereinbarkeit

© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Isabel Roditi

Professorin für Zellbiologie

Prof. Dr. Isabel Roditi ist Professorin am Institut für Zellbiologie und leitet eine Gruppe, die den Erreger der Afrikanischen Schlafkrankheit erforscht. 2006 und 2012 wurde ihre Arbeit vom Howard Hughes Medical Institute ausgezeichnet. Isabel Roditi hat 2008 am ihrem Institut das 120%-Modell als Massnahme zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie initiiert.

 

Sie haben am Institut für Zellbiologie 2008 das 120%-Modell initiiert. Wie funktioniert das Modell und woher kam die Idee?

Die Idee dazu kam schon früher, an einem Mittagessen mit Kolleginnen. Jemand meinte, es wäre schön, wenn Post-docs mit Kinderbetreuungspflichten Teilzeit arbeiten könnten. Wir haben uns überlegt, das mit einer Laborantenstelle zu verbinden, so dass es zusammen 120% ergibt und sich die Stellen einen Tag in der Woche überlappen. Die 120% zusammen würden etwa 110% von einem Post-doc kosten, die fehlenden 10% werden über Drittmittel eingeworben. Ich habe das Modell der Universität und dem Nationalfonds präsentiert, eine Zeit lang ohne Erfolg. Als damalige Präsidentin des SNF-Fachausschusses Personenförderung konnte ich die Idee aber in das Strategiepapier einfliessen lassen und es wurde angenommen. Das war der offizielle Beginn. Nach dem Nationalfonds hat sich schliesslich auch die Universität dafür interessiert und inzwischen hat es sich hier an den Fakultäten etabliert.

Sie bieten das 120%-Modell in Ihrer Gruppe jedoch unabhängig von der Fakultätsebene an und finanzieren die fehlenden 10% über eingeworbene Drittmittel. Wo sehen Sie die Vorteile?

Auf fakultärer Ebene kann man einen Antrag für ein Jahr stellen und man bekommt das Geld, wenn man Glück hat. In der Gruppe kann ich über Jahre planen. Ich hatte Glück, weil ich zum zweiten Mal eine Auszeichnung und Forschungsgeld vom Howard Hughes Medical Institute erhalten hatte, was das 120%-Modell für Gabriela Schumann für weitere fünf Jahre sicherte. Es wäre schön, ein solches Modell auch längerfristig pflegen zu können.

Was erwarten Sie von denjenigen, die das Modell in Anspruch nehmen?

Der Kopf sollte etwas mehr als 60% dabei sein, das heisst sie sollten auch bereit sein, ausserhalb der Arbeitszeit mitzudenken. Ich würde nicht insistieren, dass sie an einem freien Tag an eine Sitzung kommen, aber es wäre gut, wenn sie ab und zu an einer Konferenz teilnehmen könnten. Meiner Meinung nach sollten beide Seiten flexibel sein. Es ist mir wichtig zu sagen, dass Frauen mit Kindern kein Nachteil sind. Sie sind in der Regel sehr gut organisiert und das zahlt sich im Laboralltag aus.

Damit das Modell funktioniert, gehört auch eine technische Assistenz oder eine Laborantin / ein Laborant dazu. Was erwarten Sie von diesen?

Ich erwarte, dass sie ein Protokoll verfolgen können, denn sie arbeiten ja die meiste Zeit alleine im Labor. Sie sollen wissen, dass sie bei Fragen zu mir kommen oder die Postdocs Zuhause kontaktieren können. Einige Laborantinnen oder Laboranten arbeiten nach ihrem Masterabschluss bei uns, um die Zeit ins eigene Berufsleben zu überbrücken. Mit ihrer Ausbildung und der Laborerfahrung kann man sie sehr schnell bei uns einarbeiten. Leider kann ich eine technische Assistenzstelle nicht über mehrere Jahre anbieten. Da wäre mir mehr Kontinuität lieber. Bis jetzt hat es jedoch immer gut funktioniert.

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Ich sehe, dass Frauen lieber eine Art wissenschaftliche Mitarbeiterstelle wollen. Selbst Ehrgeizige und gut Qualifizierte wagen es nicht, Projekte oder eine Gruppe zu leiten. Ich sehe auch, dass zunehmend Dual Career Couples auf Hindernisse stossen. Früher ist eine/r einfach mitgegangen, heute haben beide einen Job und die Ansprüche sind höher. Auf der anderen Seite spielen sicher auch die Rahmenbedingungen eine Rolle. An der Universität Bern sind Postdoc-Stellen auf sechs Jahre begrenzt. Bei diesen Stellen sollte man nicht in Jahren, sondern in Prozent denken, zumindest für jemanden mit Betreuungspflichten. Es macht für das Projekt und die Gruppe einen Unterschied, ob jemand sechs Jahre lang 80% oder 60%, oder aber 600% Zeit hat. An der ETH funktioniert die 600%-Lösung anscheinend sehr gut. Und wenn eine Frau schwanger ist, wäre es gut, wenn sie von der Universität einen Brief erhalten würde im Sinne von: „Wir gratulieren Ihnen. Das sind Ihre Rechte und Pflichten.“ Ich denke die Universität hat hier die Chance verpasst, sich als familienfreundlich zu präsentieren.