Die Abwechslung macht es aus

Doppelporträt Gaby Hirsbrunner & Patrik Zanolari

Gaby Hirsbrunner, Assoziierte Professorin an der Wiederkäuerklinik der Universität Bern
© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Gaby Hirsbrunner

Assoziierte Professorin an der Wiederkäuerklinik

Prof. Dr. Gaby Hirsbrunner ist Assoziierte Professorin in der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern (50%). Zusätzlich Anstellung für Back-up-Dienst in der Klinik. Board Member bei der European Society for Domestic Animal Reproduction (ESDAR). Zudem ist sie Präsidentin der fakultären Kommission für akademischen Nachwuchs und Gleichstellung KANG. Gaby Hirsbrunner lebt in einer Partnerschaft und ist Mutter von drei Kindern (16, 13 und 9 Jahre).

Patrik Zanolari, Dozent an der Wiederkäuerklinik der Universität Bern
© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Patrik Zanolari

Dozent an der Wiederkäuerklinik

PD Dr. Patrik Zanolari hat eine Anstellung als Dozent in der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern (50%). Zusätzlich eine Anstellung für Back-up-Dienst in der Klinik. 30% Anstellung beim Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK). Patrik Zanolari ist Mitglied der fakultären Forschungskommission und der fakultären Kommission für akademischen Nachwuchs und Gleichstellung KANG. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder (4 und 5 Jahre).

Gaby Hirsbrunner und Patrik Zanolari sind in einem Job-Splitting angestellt. Das Arbeitspensum von 50% passt für beide gut.

 

Wie ist es zu Ihrem aktuellen Arbeitsmodell gekommen und inwiefern ist Ihre Karriere klassisch verlaufen oder nicht?

Gaby Hirsbrunner: Meine Motivation für die Teilzeitstelle war, dass ich meine Kinder zu einem Teil selber betreuen wollte. Es war für mich ein Vorteil, eine „späte Mutter“ zu sein. Ich war 37 als ich mein erstes Kind bekam und ich schloss damals gerade meinen PhD ab. Ich habe beruflich viel erreichen können, bevor die Kinder kamen. Es ist sicherlich einfacher, Forschungsarbeiten durchzuführen und Publikationen zu schreiben ohne Kinder. Für mich war es wichtig, die Kinder aufwachsen zu sehen.

Patrik Zanolari: Zurzeit bin ich 50% an der Wiederkäuerklinik und 30% beim BGK angestellt. Der Nacht- und Wochenenddienst kommen noch separat hinzu. 2011 habe ich habilitiert und damals war unser Sohn gerade ein halbes Jahr alt. Ein Jahr später kam unsere Tochter zur Welt. Ich war froh, dass ich vorher meine Habilitation beendet hatte, weil ich schon immer die Vorstellung hatte, neben dem Job auch für unsere Kinder im Alltag da sein zu können. 2015 habe ich eine Festanstellung als Dozent an der Wiederkäuerklinik erhalten. Meine Frau ist ebenfalls Tierärztin und arbeitet 60% in einer Kleintierpraxis mit Nacht- und Wochenenddiensten – das ist auch relativ viel. Zusammen decken wir beide die Kinderbetreuung von Montag bis Donnerstag ab, am Freitag haben wir glücklicherweise eine flexible Tagesmutter. Das Wochenende teilen wir uns auf. Bei den Wochenenddiensten müssen wir aufpassen, dass wir nie gleichzeitig arbeiten müssen. Gaby und ich sind in dem Sinne nichts Spezielles! Viele Mütter und Väter, die arbeiten gehen, müssen Beruf und Privates gut abstimmen. Man versucht sich eben zu organisieren, mit der Familie und einem entsprechenden Job-Pensum für beide Partner.

GH: Jede und jeder hat Hobbies, Familie / Freunde und anderes im Leben. Wir beide sind über den Exzellenzbegriff in der Interviewanfrage gestolpert, weil wir denken: das ist einfach das Leben! Das ist nichts Spezielles. Man versucht, seinen Job gut zu machen und will eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein.

Seid Ihr denn beide nie mit dem Vorwurf konfrontiert worden, es genüge nicht in der Wissenschaft, wenn man nicht 150% dafür gibt, sondern sich eben noch um Kinder und Haushalt kümmern will?

GH: Von aussen eigentlich nicht. Es ist eher so, dass ich mir selber den Druck mache. Manchmal habe ich grosse Stapel Publikationen auf meinem Schreibtisch und denke mir, wenn ich 100% arbeiten würde, hätte ich Zeit diese alle zu lesen. Meine Strategie ist, dass ich in meiner Pendenzenliste immer das erledige, was zuoberst steht. Man gewöhnt sich dran, nicht alles erledigen zu können. Ich habe aber den schweren Verdacht, dass wenn ich 100% arbeiten würde, ich einfach eine längere Pendenzenliste hätte und im Grunde nichts anders wäre. Ich glaube nicht, dass es mit 100% besser oder weniger stressig wäre.

PZ: Es wäre bestimmt nicht weniger stressig. Man ist mit unserem Arbeits- und Familienmodell weniger flexibel. Man muss die Kinder bei der Tagesmutter abholen, oder meine Frau muss arbeiten gehen und ich übernehme die Kinderbetreuung. Ich kann dann nicht eine halbe Stunde länger am Arbeitsplatz bleiben. In solchen Situationen habe ich manchmal das Gefühl, ich schleiche mich davon und die Leute fragen sich, warum ich denn jetzt schon gehe.

GH: Ich bin auch weniger spontan. Ich kann nicht einfach einen Dienst von jemandem, der/die ausfällt übernehmen. Ich muss mich mit meinem Partner absprechen, ob er die Kinderbetreuung übernehmen kann.

PZ: Bei mir ist es so, dass ich – wenn ich an der Uni bin – sehr flexibel und effizient arbeiten kann. Wenn ich nicht bei der Arbeit bin, dann hätte ich gerne, dass man akzeptiert, dass ich nicht da bin – und dass ich dafür auch nicht angestellt bin. Abends, wenn die Kinder im Bett sind, arbeite ich oft weiter: Ich denke über Projekte nach, checke Emails, oder erledige andere Sachen, die einen mit der Arbeit verbinden. Die Trennung zwischen Arbeit und Familie ist mir am Anfang schwer gefallen, denn beide Punkte sind mir in meinem Leben sehr wichtig.

Wie sind Sie mit allfälligen Hindernissen auf Ihrem Karriereweg umgegangen?

GH: Die Unterstützung des Vorgesetzten war für uns beide extrem wichtig. Punkto Forschung sind wir als Kliniker/innen im Nachteil gegenüber Forscherinnen und Forschern aus der Paraklinik, wenn es um die Bemessung der Forschungsleistung geht. Wir arbeiten sicher zu 30-50% unseres Pensums klinisch als Dienstleister/innen und bilden zur gleichen Zeit Studierende klinisch aus. Ich möchte das nicht missen, aber in dieser Zeit macht man keine Forschung.

PZ: Man wird nicht an der klinischen Arbeit sondern an den Forschungsoutputs gemessen.

GH: Und die Ausbildungsarbeit wird kaum gewichtet, diese ist aber sehr wichtig.

PZ: Die Strukturen haben sich geändert, da du, Gaby, die erste warst, die in dieser Abteilung Kinder hatte. Das hat gezeigt, dass es geht. Danach hatten andere Mitarbeitende in der Abteilung auch Kinder. Die Situation hat sich somit gebessert.

Was sind die Vorteile Ihres besonderen Werdegangs?

GH: Als meine Kinder kleiner waren, haben sie oft gesagt, Mami, du arbeitest so viel. Und ich habe dann immer geantwortet: ihr könnt froh sein, dass ich glücklich und ausgeglichen bin - das ist nämlich auch wegen meiner Arbeit. Für mich ist es wirklich so, ich freue mich immer auf die Tage zu Hause mit den Kindern und ich freue mich auch genauso auf die Arbeit an der Uni.

PZ: Es ist schwierig, dem etwas hinzuzufügen. Denn es ist genau das, die Abwechslung, die es ausmacht. Deshalb ist dieses Modell für mich zum jetzigen Zeitpunkt am sinnvollsten.