Das 120%-Modell als Erfolgsmodell

© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Gabriela Schumann

Postdoktorandin am Institut für Zellbiologie

Dr. Gabriela Schumann arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zellbiologie. Sie forscht zur afrikanischen Schlafkrankheit an einzelligen Parasiten, den Trypanosomen. Sie hat zwei Kinder und arbeitet seit acht Jahren im 120%-Modell zu 60% Teilzeit, während eine technische Assistenz weitere 60% ihres Projektes abdeckt. Das Modell sieht vor, dass sich die Assistenzstelle durch die Lohndifferenz von Assistenz- zu Postdoc-Niveau zum grössten Teil selbst finanziert.

 

Was ist ungewöhnlich an Ihrer akademischen Karriere?

Ich habe meine Postdoc-Zeit am Universitätsspital in Zürich begonnen und bin nach zwei Jahren nach Bern in die Gruppe von Isabel Roditi gewechselt, wo ich jetzt seit 13 Jahren arbeite. So lange auf einer Mittelbaustufe an der Universität arbeiten zu können, ohne den extrem kompetitiven Weg zu einer Professur durchlaufen zu müssen, das ist sicher ungewöhnlich.

Welche Hürden gab es und wie haben Sie diese überwunden?

Während meiner Schwangerschaft hatte ich zuerst Bedenken, ob das an der Universität weiter klappen würde. Ich will für meine Kinder da sein, aber wenn man in der Forschung nicht 100% arbeitet, wird man leicht abgehängt. Meine Chefin Isabel Roditi hat aber sehr positiv auf die neue Situation reagiert: «Super, jetzt können wir gleich das 120%-Modell testen!» Ihre Idee war, dass ich als Postdoc zu 60% arbeiten kann und mit den restlichen 40% meines Salärs eine technische Assistenz zu 60% finanziert wird. Dadurch wird eine Überlappung von einem ganzen Tag gewährleistet, was für die Arbeit im Labor und die Übergabe der laufenden Experimente sehr wichtig ist. Da mein Mann eine Festanstellung hat und es für ihn in der Privatwirtschaft schwieriger ist, den Beschäftigungsgrad zu reduzieren, war klar, dass ich diese Chance nutze und beruflich kürzer trete. Das Modell war ein solcher Erfolg, dass Isabel Roditi es der Universität und dem Nationalfonds vorgestellt hat.

Worin sehen Sie die Vorteile Ihres besonderen Modells?

Das 120%-Modell war die grosse Chance für mich, in der Wissenschaft weiterzumachen und gleichzeitig mein Pensum zu reduzieren. Das Arbeitsmodell steht und fällt mit den Mitteln und dem Einsatz der technischen Assistenz. Je kürzer die finanzierte Anstellungsperiode, umso schwieriger ist es, eine gute Assistenz zu finden. Für die technische Assistenz ist es eine Chance, eigenständig zu arbeiten und sich mit den Resultaten auseinanderzusetzen. In den Diskussionen gewinnen wir wichtige Erkenntnisse oder wir sehen, wo der Haken ist. Und wenn ich meine Arbeit übergebe, wir alles noch einmal zusammenfassen und vier Augen einen Blick darauf werfen, dann ist das wie eine Qualitätskontrolle. An meinen zwei freien Tagen oder wenn ich die Kinder am Abend abhole, verpasse ich natürlich, was andere an den Treffen und Vorträgen hören. Aber durch das reduzierte Pensum habe ich Zeit, mich meinen Kindern zu widmen, darum stimmt es insgesamt so für mich.

Welche strukturellen Veränderungen wünschen Sie sich an den Universitäten?

Auf der Ebene Mittelbau ist es nicht vorgesehen, dass man so wie ich jahrelang an der Universität arbeitet. Entweder es gelingt einem, sich in der Akademie hochzuarbeiten und man kann eine Professur anstreben oder man muss die Universität früher oder später verlassen. Selbst wenn Vorgesetzte jemanden über längere Zeit auf Drittmitteln auf einer Assistenzstelle anstellen, wird dies wahrscheinlich spätestens mit der Pensionierung der Vorgesetzten in einer beruflichen Sackgasse enden. Wenn es also längerfristige Mittelbaustellen gäbe, zum Beispiel als kantonale Stellen, wäre das sehr gut. Von längeren Anstellungen würden auch GruppenleiterInnen und die Gruppendynamik profitieren. Denn mit den relativ kurzen Arbeitsverträgen geht auch die Konstanz in der Gruppe verloren.

Welche Tipps geben Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Ihrem Fach in Bezug auf eine wissenschaftliche Karriere?

Man muss sich von Anfang an gut überlegen, wie weit man in der Wissenschaft kommen will. Wenn man eine akademische Karriere anstrebt, muss man dieses Ziel von Anfang an sehr fokussiert verfolgen. Wenn nicht eine Professur das Ziel ist, sollte man lieber frühzeitig aussteigen. Sonst ist irgendwann Schluss, auch wenn man wie ich von der Chefin sehr unterstützt wird. Manchmal muss man auch die eigenen Erwartungen etwas zurückstellen und Prioritäten setzen. Es kann nicht an beiden Orten, im Beruf und in der Familie, 100% perfekt laufen.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von G. Schumann, Universität Bern
© Christa Heinzer