Mit 30 Professorin

© Universität Bern. Bild: Daniel Rihs

Johanna F. Ziegel

Assistenzprofessorin tenure-track für Angewandte Stochastik

Prof. Dr. Johanna F. Ziegel ist Assistenzprofessorin tenure-track (80%) für Angewandte Stochastik am Institut für Mathematische Statistik und Versicherungslehre. Ihre momentanen Forschungsgebiete umfassen Statistik von geometrischen Grössen mit Anwendungen in der Biologie und Neurologie, sowie Theorien zu probabilistischen Vorhersagen wie zum Beispiel Finanz- oder Wettervorhersagen. Johanna F. Ziegel und ihr Ehepartner haben zwei Kinder im Alter von 4 Monaten und 2 Jahren.

 

Ist Ihre Karriere klassisch oder doch eher ungewöhnlich verlaufen?

Ich weise eigentlich eine lineare Karriere auf, bin jedoch für meine Position eher jung. Die Assistenzprofessur in Bern habe ich 2012 im Alter von 30 Jahren angetreten. Es hat mich damals sehr gefreut, als ich nach meiner Bewerbung tatsächlich zum Interview eingeladen wurde. Es war eine einmalige Chance und ich habe die Stelle natürlich angenommen.

Gab es Hürden auf Ihrem Karriereweg und wie sind Sie mit diesen umgegangen? 

Die mathematische und statistische Community ist tendenziell sehr freundlich. Die Ideen aller Forschenden werden objektiv und wohlwollend diskutiert und junge Forschende werden motiviert. In den wenigen schwierigen oder unangenehmen Situationen, die ich erlebt habe, standen mir meine Doktormutter und mein Doktorvater mit Rat zur Seite. Von männlichen Berufskollegen wurde ich bisher nur sehr selten schräg angeschaut im Sinne von: ‚Professorin sind Sie, so?’ Ich kann allen Studentinnen oder Wissenschaftlerinnen nur empfehlen: Fragen Sie sich nie, ob Sie das als Frau schaffen, sondern fragen Sie sich, ob Sie das schaffen und ob Ihnen Ihre Arbeit Spass macht. Dann können Sie etwaigen komischen Kommentaren auch selbstbewusst begegnen.

Welche Vorteile sehen Sie in Ihrer Anstellung?

Ganz viele Sachen laufen auch ausserhalb des Büros weiter. Wenn ich über ein mathematisches Problem nachdenke, kann ich dabei auch stillen oder spazieren gehen. Das geht vielleicht in anderen Forschungsbereichen schlechter. Obwohl ich auf 80% reduziert habe, bin ich dadurch in der Forschung nicht weniger produktiv, auch wenn natürlich mein Lehrpensum reduziert ist. Allerdings muss ich während meiner Arbeitszeit im Büro jede Minute möglichst produktiv sein. Das ist eine Frage von viel Disziplin und auf die Dauer ganz schön anstrengend.

Welche strukturellen Veränderungen würden Sie sich wünschen?

Ich habe das grosse Glück, dass ich und mein Mann das Pensum etwas reduzieren durften wegen der Familie. Meiner Ansicht nach liegt das grösste Potential hinsichtlich der Unterstützung von Wissenschaftlerinnen darin, dass auch die Väter in allen Berufsfeldern einfacher ihr Pensum ein wenig reduzieren können wenn die Kinder klein sind. Allgemein auf die Universitäten bezogen finde ich es schade, dass die Lehre nicht stärker gewürdigt wird, denn gute Lehre ist extrem wichtig. Jene die gute Lehre machen aber keine SpitzenforscherInnen sind, können meist nicht an der Uni bleiben, weil in der heutigen akademischen Welt die Publikationsliste das Wichtigste ist. Sie könnten aber die Qualität der Lehre verbessern und den ProfessorInnen mehr Raum für Forschung schaffen.

Welche Tipps geben Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Bezug auf eine wissenschaftliche Karriere?

Schaffen Sie Voraussetzungen, damit Ihnen das Arbeiten wirklich Freude macht. Überlegen Sie sich, ob Ihre Freude an der Arbeit eher vom Arbeitsumfeld oder vom spezifischen Forschungsthema beeinflusst wird. Je nach Typ sollte man sich also entweder die Leute, mit denen man zusammen arbeitet oder das Thema sehr genau aussuchen. Idealerweise stimmt natürlich beides, aber das ist gerade zu Beginn der Karriere nicht immer möglich.

Es lohnt sich auch, bereits früh eigene Strategien der alltäglichen Organisation zurecht zu legen. Das zahlt sich auch auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus. Zum Beispiel arbeite ich nur zu meinen produktiven Tageszeiten, wenn ich viel mentale Energie habe, an einem komplizierten mathematischen Problem. Dadurch spare ich letztlich viel Zeit. In einer unproduktiveren Phase hilft es, von überhöhten Zielen zurückzutreten. Zur vernünftigen Organisation der eigenen Zeit gehört auch, dass man sich selbst Grenzen setzt und nur so viel Arbeit annimmt, dass die Qualität nicht darunter leidet und für die eigene Forschung genug Zeit bleibt.

 

Wie verbringen Sie Ihre Zeit?

Prozentual Stunden pro Tätigkeit in einer durchschnittlichen Woche:

Zeitdiagramm von J. Fasciati-Ziegel
© Christa Heinzer